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Neue Studie deckt Grenzen von KI-gestützter Materialvorhersage auf
10.12.2025
Computersimulationen und künstliche Intelligenz machen bei der Suche nach neuen, leistungsfähigen Materialien häufig erhebliche Fehler bei der Vorhersage der Eigenschaften. Dies ist das Ergebnis einer internationalen Studie unter Federführung der Universität Bayreuth. In ihrer Studie, die im renommierten Fachjournal Advanced Materials erschienen ist, stellen die Forschenden Werkzeuge zur Behebung dieses Problems zur Verfügung.
Die Entdeckung neuer technologischer Materialien innerhalb der immensen Anzahl möglicher Kombinationen aus Elementen und Strukturanordnungen ist eine große Herausforderung in der Materialwissenschaft. Insbesondere ist die Suche nach neuen Materialien experimentell oft durch die Komplexität und die Kosten für Synthese und Analyse vielversprechender Kandidaten eingeschränkt. Die Nutzung von Computersimulationen zur Materialentdeckungen ist daher in den letzten Jahren immer attraktiver geworden. Insbesondere im Bereich der kristallinen Materialien wurden dabei große Fortschritte erzielt. Bei dieser Materialklasse, die viele wichtige Verbindungen wie Silizium, Stahl oder Diamant umfasst, sind die Atome auf hochregelmäßigen Gittern angeordnet. Allerdings basieren aktuelle rechnergestützte Workflows auf idealisierten Kristallstrukturen, die die experimentelle Realität nicht exakt widerspiegeln. Insbesondere ignorieren sie kristallographische Unordnung, die in realen Materialien häufig vorkommt. Beispielsweise enthalten viele kristalline Materialien ähnliche Elemente, die auf ihrem Gitter „vermischt“ sind – eine sogenannte Substitutionsunordnung. Wenn die Information über die Unordnung fehlt oder nicht richtig berücksichtigt wird, machen KI oder Simulationsmethoden daher Fehler bei der Vorhersage der Eigenschaften solcher Materialien.
Ein internationales Forschungsteam bestehend aus Forschenden der Theorieabteilung des Fritz-Haber-Instituts, des Imperial College London und der Universität Bayreuth hat unter der Leitung von BayBatt-Mitglied Prof. Dr. Johannes T. Margraf, Inhaber des Lehrstuhls Physikalische Chemie V der Universität Bayreuth, nun ein Werkzeug des maschinellen Lernens entwickelt, das solche ungeordneten Materialien zuverlässig erkennen kann. „Mit diesem Werkzeug können wir vorhersagen, ob ein Kristall von solcher Unordnung betroffen ist oder nicht, und die Materialentdeckung in rechnerisch gut darstellbare Bereiche lenken“, sagt Konstantin Jakob, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz-Haber-Institut.
Mit dem neuen Modell hat das Team Datenbanken durchsucht, die Materialien enthalten, welche zuvor von Computersimulationen als vielversprechend eingestuft wurden. In allen Fällen stellten die Forscher fest, dass ein erheblicher Teil dieser Vorhersagen in Experimenten voraussichtlich Unordnung aufweist – in einem Fall waren über 80 % der vorgeschlagenen Materialien betroffen. Das bedeutet, dass die große Mehrheit der in dieser Datenbank gefundenen Materialien im Experiment deutlich andere Eigenschaften haben könnte als in der Vorhersage.
„Unsere Studie zeigt, dass Unordnung in der rechnergestützten Materialwissenschaft ein entscheidender Stolperstein sein kann, wenn sie von der Simulation nicht berücksichtig wird. Glücklicherweise können mit den bereitgestellten Werkzeugen ungeordnete Materialien auch in groß angelegten Workflows erkannt und mit den richtigen rechnerischen Methoden adressiert werden“, sagt Prof. Margraf. In Zukunft wird dieses Tool sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Effizienz der rechnergestützten Materialsuche erheblich verbessern.
Zur Originalpublikation geht es hier. Die gesamte Pressemitteilung der Universität Bayreuth lesen Sie hier.